Gentechnik - lebenswertes Leben

Kaum eine Wissenschaft macht in der letzten Zeit so viele Schlagzeilen wird in der Öffentlichkeit derart breit diskutiert, wie die Gentechnik. Das liegt sicher an den großen Hoffnungen, die Forscher, Ärzte und „Normalbürger“ in die Möglichkeiten der Gentechnik setzen. Vieles davon ist noch Zukunftsmusik. So glaubt man, bisher unheilbare Krankheiten wie Parkinson heilen oder auch das Lebensalter von Menschen deutlich verlängern zu können. Sogar Ersatzorgane für Menschen möchte man mit Hilfe von Stammzellen herstellen.

Schon jetzt haben Eltern die Möglichkeit, ein ungeborenes Kind auf eine mögliche Behinderung untersuchen zu lassen - um dem Kind, den Eltern, aber wohl auch der Gesellschaft ein „lebensunwertes“ Leben zu ersparen. Ich möchte die Errungenschaften der Medizin nicht schlecht machen. Sicher ist auch die Gentechnik dazu geeignet, kranken Menschen Erleichterung zu verschaffen.

Die großen Hoffnungen, die auf diese Technik gesetzt werden, sind ein Ausdruck dafür, dass wir alle uns ein gesundes und glückliches Leben wünschen. Und das ist ja auch ein berechtigter Wunsch. Aber gerade im Zusammenhang mit der Gentechnik beobachte ich eine äußerst problematische Tendenz in unserer Gesellschaft. Aus dem Wunsch nach einem lebenswerten Leben wird immer häufiger die Erklärung: Menschen, die krank oder behindert sind, hätten kein lebenswertes Leben. Unsere Gesellschaft verwechselt wahres Leben mehr und mehr mit der uneingeschränkten Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, mit körperlicher und geistiger Unversehrtheit. Wie schnell sind wir dabei zu sagen: „das ist doch nicht mehr lebenswert,“ wenn jemand schwer oder unheilbar krank und nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist.

Der christliche Glaube hat allerdings ein ganz anderes Verständnis von Leben – und zwingt uns zum Umdenken. Das Neue Testament konfrontiert uns mit einer Sicht von Leben, das mehr ist als Gesundheit, Glück und Wohlbefinden. Gott selbst hat die Erfahrungen von Leid, eingeschränktem Leben und Tod nicht gemieden, sondern hat sich ihnen in dem Menschen Jesus Christus ausgesetzt, ist selbst den Tod am Kreuz gestorben. Das bedeutet doch: Für Gott umfasst das Leben die ganze Bandbreite menschlichen Daseins. Er will gerade auch da unser Gott sein, wo nach unseren Maßstäben nur noch Leben auf Sparflamme möglich ist. Wir sollten deshalb nicht so tun, als gehörten solche Erfahrungen nicht zum Leben dazu.

Mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten, hat Gott auch unser Leben in all seinen Facetten für lebenswert erklärt. Er hat es in all seiner Bruchstückhaftigkeit, Fehlerhaftigkeit und Schmerzhaftigkeit angenommen und uns die Hoffnung auf eine heilvolle Zukunft gegeben.

Es sind nicht Menschen, es ist weder die Gentechnik noch die vorherrschende Meinung in unserer Gesellschaft, sondern es ist allein Gott, der darüber entscheidet, ob unser Leben lebenswert ist.

Der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti hat das einmal so beschrieben:

ich wurde nicht gefragt
bei meiner geburt
und die mich gebar
wurde auch nicht gefragt
bei ihrer geburt
niemand wurde gefragt
außer dem Einen
und der sagte
ja

Clemens Grauer, Pfarrer in Frauenzimmern und Eibensbach