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Nicht nur für Motorradfahrer

„… und am siebten Tag zog Gott seine Motorradkombi an, stieg auf seine Maschine und donnerte los." Ich bin mir sicher, wenn es diesen Spruch als Aufkleber gäbe, dann würde er an so manchem Feuerstuhl am Tank oder an den Seitentaschen kleben. Warum eigentlich nicht?
So wurde ich gefragt, ob ich nicht auch einmal Lust hätte sonntagmorgens mit auszufahren, vielleicht eine Tour durch den Schwarzwald? Der Biker versprach sogar, etwas langsame
r zu fahren, dass ich mit meiner alten Mühle auch mitkäme. Leider musste ich absagen. Vor lauter Überraschungen, dass der Schuldekan auch Motorrad fährt, hatte er vergessen, dass ich sonntagmorgens ab und zu selbst Gottesdienst habe, oder gerne in den Gottesdienst gehe. Und ich höre sie dann von drinnen, zwischen der Predigt, Kirchenmusik, Gebet und Liedern, wie sie mit vollem Rohr den Ortsausgang passieren, drei, vier oft mehr Maschinen.
Schade denke ich, dass sie nicht einfach einmal anhalten und reinkommen. Ich könnte es mir gut vorstellen, wie sie die Helme auf die Bänke legen, den Nierengurt öffnen, etwas verlegen in den Gesangbüchern blättern, und wie sie darauf warten, ob der schwarze Vogel da vorne auch für sie etwas zu sagen hat.
Bei aller heimlichen Freude darüber, wenn da plötzlich einige reinkämen weiß ich, dass ich sicher auch ein wenig ins Schwimmen käme. Habe ich, hat die Kirche ihnen etwas zu sagen? Kommen die Dinge, die ihnen wichtig sind in einer Predigt noch vor? Haben sie nicht auch ein wenig Recht, wenn sie sagen, Gott hat uns diesen siebten Tag geschenkt, dass wir uns ausruhen können, dass wir an ihn und seine Schöpfung denken können. Gibt es das in so einem Gottesdienst, dass sich auch die Menschen wieder finden, die sonntags lieber irgendwo mit ihren Maschinen
unterwegs sind?
Ich denke schon!
Hinter jedem Helmvisier, in jeder Motorradkombi steckt eine oder einer, für die dieses Fahren, dieser Sound der Motoren ein Stück Freiheit bedeutet. Freiheit vom Büro, Freiheit von der Werkbank, Freiheit von Schule und Studium, Freiheit von dem, was einen die ganze Woche einengt?
Sonntagmorgen, das ist für viele das kleine Stück Freiheit. Und so wie man sich äußerlich verändert, mit Stiefel und Helm und Kombi, so findet auch innen eine Veränderung statt:
Manchen tut es gut, einmal so richtig, wie sie sagen „die Sau rauszulassen", mit der rechten Hand am Gasgriff das Gefühl der Macht zu haben. Erst, wenn die Maschine richtig röhrt, wenn man das Vibrieren unter sich spürt, das Rauschen im Helm, die Faszination der vorüberfliegenden Bilder, erst dann geht es ihnen richtig gut.
Andere genießen auf ihre Weise, atmen tief durch, wenn sie den Geruch von blühenden Wiesen in der Nase haben, genießen die warmen Sonnenstrahlen nach der Fahrt durch den kühlen Wald, fahren am liebsten niedertourig durch die kleinen Dörfer, und finden es jedes Mal schade, wenn wieder ein dicker Brummer gegen das Visier knallt…
Dabei kann man die Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer nicht in solche oder solche einteilen. Ich kenne alle diese Gefühle in mir, das Gefühl von Macht und Freiheit, wie auch das Gefühl von Freude und Glück beim Fahren.
Und dazu kommt auch der Dank, dankbar, dass ich so etwas Schönes erleben kann. Danke für den Gruß, das kurze Winken mit der Hand, wenn Motorradfahrer sich begegnen, selbst in der engsten Kurve. Und es gibt da auch noch für jeden und jede von uns die vielen Situationen, wo es gerade noch einmal gut ausgegangen ist, dieser kurze Augenblick, der tödlich hätte sein können, wo nur noch ein Gedanke bleibt: Gott sei Dank!
Wenn ich diese Zeilen schreibe, dann denke ich auch an die vielen, die auch in diesem Frühjahr dieses „Gott sei Dank" nicht mehr über die Lippen bringen konnten. Ich denke an die Freundinnen und Freunde, an die Partner, an die Eltern und Kinder, die zurück bleiben. Ich denke an die vielen, deren Leben sich durch diese kleine Unachtsamkeit -am Lenker oder mit der Bremse manchmal- brutal und hart verändert hat. Ich denke an die, die oft noch jung, tödlich verunglücken, ich denke an diejenigen, die ihr Leben als Behinderte zu Ende bringen müssen.
Wären diese unzähligen Situationen, in denen es - nicht nur beim Motorrad fahren - „Gott sei Dank“ noch einmal gut ausging, wären diese gut gegangen Situationen nicht Grund genug auch einmal eine Stunde Zeit für Anderes zu haben?
Wie geht es Ihnen in diesen Sommer-Sonntagen, wenn an Kirchen vorbei gefahren, vorbei gewandert wird?
Was ist diese eine Stunde, die man sonntagmorgens dort verbringen könnte, gemessen an dem, was es für mich und für mein weiteres Leben bringen könnte? Es gibt auch diese andere Erfahrung von Freiheit. Evangelium, gute Botschaft hat auch etwas mit Freiheit zu tun. Ich meine, beide Freiheiten gehören zusammen, und nur zusammen machen sie das ganze Leben aus. Um mich von all dem zu befreien, was mich gefangen hält, reicht ein Motorrad nicht. Da tut es manchmal gut zu hören, wie wichtig ich bin, zu spüren, dass Gott dich mit ganz anderen Augen ansieht. Er sieht hinter das Visier. Ihm brauche ich nichts vorzumachen. Wirkliche Freiheit kann nur er schenken. Hier kann man Entdeckungen machen, die interessanter und spannender sind als jede neue Maschine.
Wo und wie auch immer Sie zur Ruhe kommen, in einer Kirche, in einem Gottesdienst im Grünen, ich wünsche Ihnen, dass Sie etwas von dieser unglaublich spannenden und lebensbereichernden Entdeckung spüren.
In den Sommermonaten finden viele Gottesdienste im Grünen statt, und an vielen Orten werden Gottesdienste, speziell für Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer, gehalten. Wo im Zabergäu und Leintal diese Gottesdienste im Grünen stattfinden, finden Sie hier, auf dieser Webseite. Wo Gottesdienste in Ihrer Nähe für Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer stattfinden finden Sie im Internet.