Der Hahn hat gekräht

Ein stolzer Hahn – das Logo, das auf die Kirchenwahl am 11. November aufmerksam machen sollte. Nun, den Hahn kennen wir: von Kirchturmspitzen in Dörfern und Städten, von da oben kann er zeigen, woher der Wind weht. Und wir kennen ihn auch aus der biblischen Geschichte. Dort ist er Zeichen selbstkritischer Nachdenklichkeit: Bleiben wir treu bei dem, wo Jesus seine Christen in der Welt haben will? Oder hängen wir unser Fähnlein nur nach dem Wind? Reden wir, damit Menschen verstehen? Oder reden wir ihnen nur nach dem Mund? Und bringen unser Schäfchen ins Trockene... 
Aber so, für die Kirchenwahl, durfte er auch mal starkes Selbstbewusstsein ausstrahlen –so laut krähen, dass jeder aufwacht: Aufgepasst, es ist ja nicht egal, was in Zukunft aus der Kirche wird. Gut dabei, wenn wir in selbstkritischer Nachdenklichkeit uns dessen bewusst bleiben, dass Kirche nur Kirche ist, wenn sie nicht Selbstzweck ist. Deshalb also genauer: Was in Zukunft aus der Kirche wird, entscheidet sich auch daran, was sie für die Menschen tun kann – daran, wie hier aufmerksame Partnerschaft geübt wird in dem, was Menschen bewegt. Geistig bewegt, seelisch umtreibt, auf den Nägeln brennt; und was Menschen in materiellen Notlagen brauchen - wenn Armut womöglich die Menschenwürde und die Menschenrechte ankratzt, zerkratzt... Damit Leben gefördert wird, damit man gemeinsam fragen kann nach den Quellen des Lebens und sich gemeinsam einsetzen für gelingendes Leben.
„Um des Menschen willen“ ist deshalb ein guter biblischer Grundsatz. Und wer darin einen Gegensatz sehen will zu „um Gottes willen“, der müsste noch einiges dazulernen. Deshalb geht es natürlich nicht um den Hahn, sondern um die Menschen: Die Menschen sollen ihre Stimme erheben – laut werden lassen, was sie bewegt.
Wenn es deshalb hieß „Der Kirche eine Stimme geben“, so wäre es natürlich auch nicht gut, bei diesen (oder bei anderen!) Wahlen nur unsere Stimme abzugeben wie man Kleider an der Garderobe abgibt: bewahrt sie mal gut auf, ich brauche sie nicht... Sondern man wird die Gewählten kritisch und ermutigend begleiten, so dass die Stimmen in der Kirche keine Solo-Stimmen bleiben müssen, vielmehr vielfältig zusammenklingen, wie bei einem guten Konzert. Damit die vielfältigen Gaben, die es unter uns doch unbestreitbar gibt, uns nicht abgrenzen von anderen, sondern einladend wirken –  wirksam werden! –   für viele.
Hermann Aichele-Tesch