StartseiteAktuellesImpulse / Andachten2008Verstehend glauben - glaubend verstehen

Verstehend glauben – glaubend verstehen

Das Bild werden viele schon gesehen haben. Für  Computer wurde es ja länger schon als Desktop-Hintergrund angeboten. Und so benütze ich es auch. Ich mag dieses Motiv. Stonehenge ist es, das uralte keltische Heiligtum in Südengland.

Auf meinem Bildschirm ist es mir ein ganz starkes Symbol dafür, dass Glaube und Wissenschaft nicht Gegensätze sein müssen - dass sie aus derselben Wurzel kommen. Beide wollen, sicher in unterschiedlicher Weise, die Welt begreifen, den Zusammenhängen des Lebens nachspüren. So haben sie in Stonehenge ihre Religions-Feste gefeiert, Sonnenfeste, Dank und Erntefeste. Und sie haben dazu den Lauf der Gestirne erforscht. Priester waren es, die Zeiten und Gezeiten, Monde und Monate nachgemessen haben. Das uralte Heiligtum Stonehenge - gewissermaßen der Vorläufer unserer heutigen durch Computer gesteuerten Uhren...

Doch heutzutage meinen viele, zu viele: Religion sei dazu da uns zu lehren, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen. Haben die eine Ahnung! Glaube und Wissen ging Jahrhunderte, ja Jahrtausende Hand in Hand. Sicher gab es dabei auch Fehlentscheidungen,  die sich nachträglich auch für religiöse Machthaber als peinlich erwiesen. Und eben Unmenschlichkeiten auch im Namen der Wissenschaft. Wenn wir uns da nicht an gegenseitigen Vorwürfen aufhalten sondern um das Gute wetteifern würden, dann wäre schon viel gewonnen.

Und das weiß ich jedenfalls aus meiner Bibel, dass der Glaube sich nicht gegen das Wissen und Verstehen stellen soll und will. Während manche, unter ungeschickter Berufung auf Jesus, meinen, der Glaube solle den Verstand „kindlich klein" halten, betont Paulus (in 1. Kor. 14): Genau da dürft ihr nicht wie Kinder werden. In Bezug auf das Böse - ja, da werdet „wie die Kinder". Aber nicht in bezug aufs Verstehen, den Verstand. Da wäre es gut sich als erwachsen zu zeigen. Sicher, Gott ist höher als alle unsere Vernunft. Aber nicht, damit wir sie missachten, sondern damit wir die Vernunft vernünftig gebrauchen.

Und damit wir verstehen, zugestehen: Es gibt Dinge und Zusammenhänge unseres Lebens, die muss man mit wissenschaftlichen Methoden erforschen und berechnen. Es gibt dann auch Zusammenhänge: Da nützt kein Berechnen, da braucht es ein Gespür für die tieferen Wahrheiten des Lebens - wie wir mit uns selbst und mit anderen zurechtkommen. Und da fängt der Glaube an, der mir sagt, wofür ich mich einsetzen soll und will - wo ich Ja sagen kann, wo ich Nein sagen muss; auf welche Melodie ich - zusammen mit anderen - das Leben besingen kann. 

Stonehenge erinnert mich immer wieder daran: Glaube und Wissen - nicht Gegen-Sätze sondern zwei Seiten einer Medaille. Zwei der Wege, auf denen wir Einsichten und Durchblicke fürs Leben gewinnen können.

Hermann Aichele-Tesch