StartseiteAktuellesImpulse / Andachten2009Urlaub – eine Verheißung?

Urlaub - eine Verheißung?

Liebe Gemeinde,

die Schulsommerferien haben angefangen.  Manche fliegen in ferne Länder. All inclusive ist der Trend. Wieder andere campen oder mieten sich eine Ferienwohnung. Kinder und Jugendliche besuchen Freizeiten des EJW Brackenheim. Senioren freuen sich auf „Urlaub ohne Koffer", organisiert von der Diakonie. Manche wandern oder fahren Fahrrad in Deutschland und Europa. Wieder andere sind Individualreisende und fahren mit dem Wohnmobil zum Beispiel durch die Sahara.

„Urlaub - eine Verheißung?"

Der Phantasie, wie Urlaub aussehen kann, sind keine Grenzen gesetzt. Die einen suchen einen Urlaub mit  viel Sport. Die anderen wollen kulturelle Highlights erleben. Wieder andere sehnen sich nach der Ruhe der Berge oder freuen sich an dem Trubel des Strandlebens. Zum Beispiel Rimini, eine Stadt an der Adria in Italien, gilt mit seinen großen Sandstränden als Teutonengrill. Die spanische Insel Mallorca hat einen Ruf bei den „Ballermännern" Deutschlands.

„Urlaub - eine Verheißung?"

Ein junges Paar will Frankreich entdecken! Wie es sich gehört: Der Mann fährt das Auto. Die Frau hält die Landkarte, sucht die Wegstrecke. Ein „Navi" können sie sich nicht leisten. Da versäumt sie die richtige Autobahnausfahrt anzusagen. Der Ärger beginnt. Nach all der Arbeit im Betrieb über das Jahr. Nach dieser Unachtsamkeit liegt ein handfester Streit in der Luft. Trotz aller Urlaubsverheißung: Der Zorn beginnt in ihnen zu nagen, zumal längst vergangene Enttäuschungen noch nicht beglichen sind.

„Urlaub - eine Verheißung?"

Jede Familie mit Kindern kann von Katastrophen in der Urlaubszeit berichten: Der Autostau, die Hitze, die Langeweile, die Uneinigkeit über die Tagesgestaltung, die unterschiedlichen Interessen, der Streit der Kinder.

„Urlaub - eine Verheißung?"

Schon die Tatsache, dass ein Haushalt mit mehreren Personen sich auf wenige Koffer schrumpfen und begrenzen lässt -  das erfordert Talent und gute Organisation.

Aber auch der Urlaub auf Balkonien muss gemeistert werden. Schließlich sind jetzt alle den ganzen Tag zu Hause. Das schafft Probleme der anderen Art.

Urlaub hat ursprünglich im Mittelhochdeutschen mit „Erlaubnis" zu tun. Der Fürst erlaubte es einem Ritter, die Hofgesellschaft zu verlassen und weg zu gehen. Der Ritter hat Urlaub.

In Deutschland hat jeder Arbeitnehmer einen tariflich ausgehandelten Urlaubsanspruch.

Auf Amtsdeutsch heißt das „Erholungsurlaub". Anschließend können die Betriebe ihre Mitarbeiter besser „ausbeuten".

„Urlaub - eine Verheißung?"

Urlaub, wie wir ihn kennen, hat in der Wallfahrt seinen Ursprung. In Israel war es üblich, wenigstens einmal im Jahr Jerusalem und den Tempel Gottes zu besuchen. Ganze Familien machten sich auf den Weg, wie auch Jesus mit Josef und Maria. Gott wird ein Dankopfer dargebracht. Unser Altar in der Kirche erinnert an die damaligen Opferriten, die immer mit einem Fest verbunden sind.

Wenn nun die Wallfahrerfamilien vor der heiligen Stadt Jerusalem stehen, rezitieren sie im Chor den Psalm 100. Es ist ein Wallfahrtspsalm „Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobet seinen Namen!

Denn der Herr ist freundlich und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für."

 

Wallfahrer der besonderen Art sind Jesus und seine Jünger. Jesus hat seine Jüngerschar angestiftet, von zu Hause wegzugehen und mit ihm als bettelnde Wanderprediger umherzuziehen. Bei ihnen ist der Weg das Ziel und die Verkündigung des Evangeliums. Die Evangelien berichten über die ersten Predigten Jesu: „Die Zeit ist erfüllt. Kehrt um und glaubt an das Evangelium."

 

Evangelische Wallfahrer unserer Zeit besuchen den Kirchentag, der dieses Jahr in Bremen war oder entschließen sich eine Zeitlang in einer christlichen Gemeinschaft mit zu leben. Der Besuch von besonderen religiösen Großveranstaltungen hat auch mit Wallfahrt zu tun. Im Oktober kommen die Brüder aus Taize nach Stuttgart. Unter dem Motto: „Pilgerweg des Vertrauens" kommen Tausende junger Leute aus ganz Europa zu diesem Treffen, um sich für ihren Alltag geistlich inspirieren zu lassen. Unser evangelischer Bischof July und der katholische Bischof Fürst sind ebenfalls dabei. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden werden mit mir zusammen und Jugendmitarbeitern dieses Treffen besuchen. Es geht darum, etwas Neues kennen zu lernen, wie diese Brüder aus dem französischen Taize  in ihrer ökumenischen Lebensgemeinschaft nach dem Evangelium leben. Das ist inspirierend und zeigt die Lebendigkeit und die Kraft unseres christlichen Glaubens.

Ich selber habe immer vor wichtigen Lebensentscheidungen mehrtägige Schweige- und Gebetsexerzitien mitgemacht um klarer zu sehen.

Diese andere Form des Urlaubs ist modern spätestens seit Hape Kerkelings Buch: „Ich bin dann mal weg." Er beschreibt seine Pilgerwanderung nach Santiago de Compostella in Spanien.

Urlaub ist die Sehnsucht, vom Alltag wegzukommen. Urlaub ist die Suche nach dem gelobten Land, in dem Milch und Honig fließt.

Eine ganze Dienstleistungsindustrie hat sich darauf spezialisiert. Die Leute sollen Spaß haben und glücklich sein. Die Ausgeglichenheit der Seele und des Leibes lässt sich nicht käuflich erwerben. Ist das Hotel noch so luxuriös, die Wellnessangebote noch so vielversprechend und die Animateure noch so einfühlsam und kreativ: Es kommt darauf an, ob wir in uns selbst eine Mitte finden.

 

Der Sinn und Zweck aller Wallfahrten war und ist:

Finde ich in mir eine Mitte?

Lasse ich diese Sehnsucht in mir zu nach Gott zu suchen?

Lasse ich mich beschenken von der allumfassenden Gegenwart Jesu Christi?

Spüre ich in mir die Sehnsucht, dem ewig Göttlichen zu begegnen?

Oder reicht mir mein Haus, meine Wohnung, mein Hotel „all inclusive"?

Wir sind im Gottesdienst versammelt, weil wir mehr wollen. Die Heiligkeit Gottes und seine Ewigkeit ist unsere Sehnsucht. Das ist das göttliche Feuer, das in uns brennt, das uns voranbringt, das uns Sonntagmorgens die innere Kraft gibt, aus dem Bett zu kommen und den Gottesdienst zu besuchen.

Jeder Sonntag ist ein Urlaubstag.

Und alle unsere Urlaubstage können bezaubernde Sonntage sein, wenn wir unser Herz vor Gott nicht verschließen.

Dann ist Urlaub eine Verheißung.

Das eingangs beschriebene junge Paar auf Frankreichfahrt mag sich zwar anfangs streiten, aber das war vielleicht notwendig und ihrer Liebe nützlich. Im Urlaub tritt das ans Tageslicht, was wir im Alltag verdrängen. Sind sich beide einig, dass Glaube, Hoffnung, Liebe im Mittelpunkt von allem steht, wird ihnen ihr Urlaub gelingen. Ihr Urlaub wird zur Verheißung.

Familien mit Kindern können trotz aller Hektik Ruhe finden und freudige Gelassenheit ausstrahlen, wenn eine vertrauende Liebe der Eltern da ist. Dann werden auch die krisengeschüttelte Tochter und der krisengeschüttelte Sohn irgendwann friedfertig. Das mag ein Kampf sein. Der Kirchenlehrer Johannes vom Kreuz anerkennt, dass Eltern mit den Dämonen des Zeitgeistes, die sich im Antlitz ihrer Kinder offenbaren, ringen müssen.

Bei den Kindern Rückgrat zeigen, gerade auch im Urlaub! Liebe braucht auch Standhaftigkeit!

Dann ist der Urlaub eine Verheißung.

Egal wie wir Urlaub machen: Sportlich aktiv, kulturell interessiert, Ruhe, Wellness oder action suchend; ob als Single, als Paar, als Familie, in einer Reisegesellschaft; die äußere Form ist oft gar nicht so entscheidend, dass der Urlaub zur Verheißung wird. Es kommt darauf an, welches Gewand wir im Urlaub tragen wollen.

Hat dieses Gewand einen Glanz von Glaube, Hoffnung, Liebe, dann ist der Urlaub eine Verheißung.

Amen.

 

Pfarrer Carsten Waiß aus Haberschlacht-Neipperg