Denk-Spruch

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

in diesen Tagen suchen sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden wieder ihre Denksprüche aus. Den einen fällt es leicht, einen Bibelvers zu finden, der zu ihnen passt. Andere brauchen länger Zeit, um herauszufinden, welche Zusage sie auf ihrem weiteren Lebensweg begleiten soll. Am Ende hat jeder und jede einen Spruch, der ihnen dann an der Konfirmation zugesprochen wird und der sie in Zukunft immer wieder zum Denken, zum Nachdenken bringen soll.

 

Die Älteren unter uns, zu denen ich mich in diesem Fall auch schon zähle, haben es meistens erlebt, dass ihr Pfarrer ihnen einen Spruch ausgesucht hat. Die einen haben sich über ihren Spruch gefreut, andere geärgert und so mancher hat nicht sofort verstanden, welche Botschaft der Pfarrer ihm damit auf den Weg geben wollte. Viele von uns hat ihr Denk-Spruch ein Leben lang begleitet und immer wieder herausgefordert, darüber nachzudenken, was dieses Bibelwort mit unserem Leben zu tun hat.

 

Mein Denk-Spruch steht in Psalm 77,15 und lautet:

 

      „Du bist der Gott, der Wunder tut.“

 

Eigentlich hat er mir bei meiner Konfirmation ganz gut gefallen und ich habe mir als Teenager vorgestellt, welche außerordentlichen Wunder Gott in meinem Leben wohl wirken wird. Spontane Heilungen von schweren Krankheiten, hohe Lottogewinne und manches mehr ging mir dabei durch den Kopf. Ich war gespannt darauf, was ich alles noch erleben würde mit diesem Gott.

 

Nun ist meine Konfirmation schon einige Zeit her und silberne Konfirmation hätte ich schon feiern können. Doch weder eine Spontanheilung noch einen Lottogewinn noch andere spektakuläre Wunder, wie ich sie mir vor 27 Jahren vorgestellt habe, sind eingetroffen. Ein Blick in Psalm 77 hat mir gezeigt warum. Im Psalm 77 bringt der Psalmbeter seine Not vor Gott und klagt ihm, dass er so wenig von ihm in seinem Leben erkennt. „Hat Gott vergessen, gnädig zu sein?“ – so fragt er sich. Und dann wendet er sich voll Vertrauen wieder diesem Gott zu, von dem er so wenig aktuell erlebt und spricht: „Wo ist ein so mächtiger Gott, wie du, Gott, bist? Du bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Macht bewiesen unter den Völkern. Du hast dein Volk geführt wie eine Herde durch die Hand des Mose und Aaron.“

 

Der Psalmbeter schaut also nicht voraus und malt sich aus, welche Wunder Gott noch tun könnte in seinem Leben. Nein, er schaut zurück und erinnert sich an die Wunder Gottes, die er schon getan hat.

 

Und plötzlich erkenne ich, wie oft schon Gott Wunder gewirkt hat in meinem Leben. Wie oft er mich vor Schlimmerem bewahrt hat, wie er mir eine tolle Frau und zwei fröhliche Kinder geschenkt hat, wie er mir einen Beruf ermöglicht hat, wo ich gut aufgehoben bin. Im Rückblick, im Nach-Denken, erkenne ich die Wunder Gottes in meinem Leben.

 

Das wünsche ich uns allen, den Neu-Konfirmierten und den Alt-Konfirmierten, dass wir im Nach-Denken über unsere Denk-Sprüche das Handeln Gottes in unserem Leben erkennen. Er jedenfalls möchte sich als lebendiger und wirkender Gott in unserem Leben zeigen. Davon bin ich überzeugt.

 

Das meint

                          Ihr

 

                                  Pfarrer Ulrich Harst, Meinsheim