Das Weltgericht - für eine menschengerechtere Welt
Ein Bild vom „Großen Weltgericht“ – aus unserer Kirche in Weiler, gemalt 1767 von dem Wandermaler Johannes Stiegler. Zur Zeit ist es in der Landeskirchlichen Ausstellung in Ludwigsburg „Barock und Pietismus“.
Naive Malerei – naive Gedanken? Sicher, so schlicht werden sich heutzutage wenige das Weltgericht vorstellen, alles wohl geordnet: oben Christus, darunter das „Neue Jerusalem“... Dazwischen auf der einen Seite die Erlösten, auf der andern Seite die Verdammten, die in die Hölle abgeführt werden.
Trotz allem ein Bild großer Harmonie. Wir Heutigen würden da wohl andere Schreckens-Szenarien malen. Trotzdem, das Bild ist in einer Sache merkwürdig aktuell: Die alte Erde, rechts unten, sie brennt schon – in Afrika und Asien, nur die in Europa spüren noch nichts davon. Es ist ja alles weit weg von uns... Naive Malerei deckt vielleicht manchmal auf, mit welch naivem Lebensgefühl viele ihre Welt betrachten.
Doch etwas sollen wir begreifen, drunter steht nämlich:
„Er kommt, er
kommt zum Weltgericht.
Ihr Kinder fürchtet euch. Er schont der Königen
nicht.
Der Fromme kann allein mit Freuden hier bestehn.
Der Böse muss
ins ewge Feuer gehn“.
Natürlich ist das zuerst einmal schlichte Dogmatik, wie man’s „schon immer“ zu lernen hatte. Dann steht aber mitten drin auch der Satz von den „Königen“, denen ihr „Gottesgnadentum“ gar nichts nützt. Es kommt viel mehr drauf an, dass die „Frommen“ auf der „alten Erde“ ihre Verantwortung wahrnehmen. Sie sollen sich ja nicht an der heimlichen oder unheimlichen Lust weiden, dass die Erde möglichst schnell verbrennt. Sie werden sie nicht dem Teufel überlassen. Sondern beten und das Gerechte tun – damit Gottes Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.
Mir fällt immer wieder auf, dass Leute, die das letzte Urteil Gottes wirklich ernst nehmen, nicht sich in depressiver Weltflucht verrennen müssen, sondern eine besondere Lebensverantwortung wahrnehmen: Die größten diakonischen Werke tätiger Nächstenliebe sind durch solche Leute ins Leben gerufen worden.
Und manchmal denke ich: Vielleicht haben sie mit ihrer Hoffnung aufs „Jenseits“ dem Leben im „Diesseits“ eine Kraftzufuhr vermittelt, die größer ist als sie selber ahnten. Sie haben womöglich mit ihrer Hoffnung, dass „dereinst“ Gott die Erde neu mache, genau das Richtige dafür getan, dass die Erde schon jetzt „menschengerechter“ wird. Gut, dass es solche Leute gibt.
Hermann Aichele-Tesch