Glaube und Wissenschaft

Denn Wissenschaft dreht sich um Dinge und Zusammenhänge, die man berechnen kann, und in diese Argumentation passt Gott schlicht nicht hinein. Er ist doch keine verrechenbare Größe! Die Rede von Gott liegt auf einer ganz ganz anderen Erkenntnisebene als der wissenschaftlichen: Auf welche Melodie Menschen ihr Leben singen, was für sie heilsam ist, befreiend und ermutigend – das ist eher die Ebene des Glaubens; darin hat die Naturwissenschaft wenig zu sagen. Aber die Entwicklungs-Geschichte des Lebens – das ist berechenbar; da sollen Glaubensvorstellungen nicht der wissenschaftlichen Forschung Vorschriften machen wollen.
Wann und wo Gott in der Evolution eingegriffen hat, das lässt sich sicher nie wissenschaftlich erheben. Dass er aber in allem am Werk ist, das kann mir keine Naturwissenschaft nehmen. Der Glaubende darf sich dran freuen, was geworden ist. Und singen: „Ich danke Gott, und freue mich wie’s Kind zur Weihnachtsgabe, dass ich bin, bin! Und dass ich dich, schön menschlich Antlitz habe!“ (Matthias Claudius).
Ja, und der „Schöpfungsbericht“ am Anfang der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – soll er nicht mehr wahr sein? Doch! Wenn man ihm nicht völlig sinnwidrig eine naturwissenschaftliche Beweislast aufzubürden versucht; sondern ihm seine eigene Würde belässt – ihn das sein lässt, was er schon immer war: Ein Lied der Dankbarkeit, in dem Gott als der Herr der Welt gefeiert wird und durch das Menschen immer wieder nachdenklich wurden über ihre Größe und ihre Verantwortung. Dafür ein Gespür zu bewahren – darauf kommt es immer wieder neu an.
Hermann Aichele-Tesch