StartseiteAktuellesImpulse / Andachten2016In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht

In mir ist es finster,

aber bei dir ist das Licht!

 

Ziemlich dunkel ist es hier. Nur ein kleines Fenster ganz weit oben, das spendet ein wenig Licht. Es ist gerade ausreichend, um die Umrisse des Raumes erkennen zu können. Der Raum ist nicht sehr groß, wüst und kahl sieht er aus. Gemütlich ist etwas anderes. Und doch, ganz im Eck, da sitzt eine Person. Ganz alleine. Wie sich die Person wohl fühlt? Warum sitzt sie hier? In diesem dunklen, kleinen Loch. Und kaum etwas zu Essen.

Jetzt passiert etwas, da, plötzlich steht die Person auf und läuft wie ein Tiger im Zoo auf und ab, auf und ab, auf und ab. Was treibt die Person um? Warum ist die Person auf einmal so unruhig? Fragen über Fragen kommen auf. Die wichtigste Frage aller Fragen ist doch: Wer ist diese Person? Und was macht sie ausgerechnet hier?

 

So oder so ähnlich muss es Johannes dem Täufer ergangen sein. Er sitzt im Gefängnis, weil er sich in die Lebensführung seines Landesherrn Herodes Antipas eingemischt hat.

Was ist passiert? Wie konnte es soweit kommen? Johannes lebt in der Wüste im heutigen Israel und tritt als Prediger auf. Er verkündet den Menschen, dass sie sich ordentlich und anständig im Leben verhalten sollen: sie sollen umkehren zu Gott und sich taufen lassen. Das ist die Botschaft von Johannes. Daraufhin tauft Johannes viele Menschen im Jordan, denn sie alle hören seine Botschaft und glauben dies. Das freut Johannes sehr. Er will die Menschen auf den Weg des Lebens, nämlich zu Gott, führen. Aber es gibt auch Menschen, die wollen seine Worte nicht hören, sie sind stur und wollen sich nicht an das halten, was er erzählt. So zum Beispiel sein Landesherr: Herodes Antipas verstößt seine erste Frau, heiratet zum zweiten Mal und zwar die Frau seines Halbbruders. Er begeht somit doppelten Gesetzesbruch nach dem damaligen jüdischen Recht. Die kritische Stimme des Johannes scheint ihn wenig zu interessieren. Als Johannes aber immer lauter anfängt zu rufen, dass sich die Menschen taufen lassen sollen und ihr Leben in Würde vor Gott leben sollen, da wird es Herodes Antipas zu viel: Er lässt Johannes gefangen nehmen und ins Gefängnis stecken. Herodes denkt bei sich: „Dieser Störenfried muss mundtot gemacht werden. Er darf mit niemandem mehr in Kontakt treten. Er ist gefährlich für mich und mein Reich. Für seine frechen Worte muss er büßen! Er darf sich nie wieder in die Angelegenheiten anderer einmischen! Basta!“

Johannes, der nun im Gefängnis sitzt, ist voll von Zweifeln geplagt, mit quälender Angst sitzt er da und überlegt sich, wie es mit seinem Leben weitergehen soll. Ihn beschäftigt eine spannende Frage, die er an Jesus richtet. Aber hören Sie nun selbst, wie Johannes seine Frage an Jesus stellt und was Jesus ihm antwortet:

 

Matthäus-Evangelium 11,2-6:

Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.

 

Johannes fragt also Jesus: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Durch seine Jünger wird die Frage an Jesus weitergegeben. Die Jünger vermitteln also zwischen Jesus und Johannes, denn sie können sich nicht wegen der Gefangennahme begegnen. Die Antwort, die Johannes später wieder erreicht, ist alles andere als klar. Er – Johannes – hat doch eine ganz klare Frage gestellt, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Und Jesus? Was macht Jesus? Wie antwortet er auf seine Frage? Jesus gibt Johannes keine direkte Antwort, sondern er verhüllt seine Antwort.

Die Antwort besteht nämlich aus Verheißungen des Alten Testaments, die fast alle aus dem Jesajabuch stammen.

Unmögliches will Jesus möglich machen können: Blinde sollen sehen können, Lahme sollen gehen können, Aussätzige sollen rein werden, Taube sollen hören können, Tote sollen aufstehen können und Armen soll das Evangelium gepredigt werden. Wie aber, um alles in der Welt, soll dies denn geschehen? Wie kann Jesus solche großen Versprechen geben? Nach unserem Predigttext ist es Jesus alleine, der solche Versprechen geben kann, denn er ist der Kommende. Jesus wird erwartet. Er ist der Messias. Mit ihm beginnt die Heilszeit. Eben mit Jesus können die Verheißungen Gültigkeit erlangen.

Aber Johannes hat in der Zeit seiner Gefangennahme ganz andere Probleme. Er sieht die Heilszeit nicht anbrechen, von der Jesus gesprochen hat. Johannes schwankt zwischen nachdenklichen Fragen und bohrendem Zweifel. Wie wird es weiter gehen? Gibt es noch Hoffnung für ihn? Johannes zweifelt an seinem Leben und an Gott. Diese Zweifel sind berechtigt. Immer wieder kommen auch uns Zweifel in unserem Leben auf. Wir hadern mit unserem Schicksal und mit Gott. Warum passiert das gerade? Warum ausgerechnet ich? Das sind Fragen, die sehr schnell aufkommen, wenn es uns nicht so gut geht.

Und was macht Johannes in dieser Situation? Er ist ganz allein. Zweifel nagen an ihm. Er ist unruhig. Es soll etwas passieren in seinem Leben. Nur was? Eine Freilassung aus dem Gefängnis? Eine gnädige Behandlung durch die Wärter? Das von ihm versprochene Auftreten Jesu in dieser Welt? Doch Johannes gibt nicht auf: Trotz Zweifel und Fragen hält er an seiner Botschaft fest, die er den Menschen verkündigt hat. Sein Glaube ist stark und fest, auch im Gefängnis, auch durch den Tod hindurch. Das finde ich beeindruckend.

 

Eine sehr prägende Person aus der deutschen Geschichte, die wie Johannes im Gefängnis sitzt und trotz dessen seinen Glauben nicht verwirft, ist Dietrich Bonhoeffer. Er ist evangelischer Pfarrer, wurde als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime verhaftet und war danach in mehreren Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert. Er hat trotz größter Not immer auf Gott vertraut und seine Gedanken aufgeschrieben. Herausgekommen sind viele Texte und Gebete, die von einem großen Gottvertrauen trotz schwerer Zeiten sprechen.

Eines seiner bekanntesten Gebete, das er um Weihnachten 1943 an seine Mithäftlinge geschrieben hat, finde ich so schön und ergreifend, dass ich es gerne an dieser Stelle einfügen möchte. Es steckt voller Hoffnung auf Gott:

 

   Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages.
   Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu dir; ich kann es nicht allein.
   In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht;
   ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht;
   ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe;
   ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede;
   in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld;


ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich. (…) Amen.

Trotz der ausweglosen Lage ist Bonhoeffer voller Gottvertrauen. Sein Glaube trägt ihn durch diese schwere Zeit hindurch. Auch Johannes hat in dieser schweren Zeit sein Glauben geholfen.

Johannes und Bonhoeffer, sie beide saßen im Gefängnis, in einem realen Gefängnis. Manchmal machen wir Menschen uns aber selber ein Gefängnis. Wir erleben unseren Alltag als Gefängnis, wenn wir mit Situationen des Lebens nicht klar kommen können:

bei Tod und Trauer, bei Schmerzen und Krankheit, bei Ausschluss von der Gemeinschaft, bei Unverständnis, bei Unglaube, bei Hektik oder Stress im Alltag. Ich wünsche mir aber, dass wir diese Gefängnisse des Alltags mit Gottes Hilfe überwinden können. Es folgen nun ein paar Beispiele, wie wir den von uns oft als Gefängnis wahrgenommenen Alltag durch Gottes Hilfe meistern können:

 

Tod und Trauer wollen wir mit Gottes Trost überwinden. Peter hat einen geliebten Menschen aus seiner Familie verloren. Ihn schmerzt das sehr. So gerne wollten sie doch dieses Jahr gemeinsam einen großen runden Geburtstag feiern. Und jetzt? Aus der Traum? Einfach nicht mehr da? Das gibt es doch nicht. Peter wünscht sich Trost, um mit dem Verlust umgehen zu können und in Gedenken an die geliebte Person dennoch ein schönes Geburtstagsfest feiern zu können.

 

Krankheit und Schmerzen wollen wir mit Gottes Heilung überwinden. Dieser ständige Schmerz, die vielen Medikamente, die häufigen Arztbesuche…... All das quält kranke Menschen sehr, wenn es ihnen nicht gut geht. Aber wir dürfen nicht nur das schlechte im Leben sehen, sondern uns an kleinen Dingen in der Frühjahrszeit erfreuen: Blumen fangen an zu blühen, Vögel singen ihre Lieder, Häuser und Gärten werden umsorgt und schön gemacht, ein Spaziergang in der kühlen frischen Abendluft, jede Woche eine neue Blüte, die anfängt zu blühen…

 

Den Ausschluss von Gemeinschaft wollen wir mit Gottes Hilfe überwinden: Wenn Menschen ihre Arbeit verlieren, dann sie sind sehr traurig. Viele Fragen tauchen auf: Wie viel Geld habe ich noch? Habe ich überhaupt Geld für den Alltag, für das Nötigste, für Geschenke von Kindern und Enkelkinder? Wie soll ich meine neue Situation erklären? Haben die anderen dafür Verständnis? In dieser schwierigen Zeit können wir Gott um seine helfende Hand bitten. Wir wollen andere Menschen annehmen, die anders als wir sind, aber dennoch Geschöpfe Gottes sind, die geliebt werden dürfen – allein aus der Gnade heraus, die Gott uns schenkt. Wir wollen auch von Menschen angenommen werden, ja geliebt werden. Wir dürsten nach Anerkennung und Liebe. Wir haben auch Fehler und können zu ihnen stehen. Durch Gottes Gnade wollen wir Verständnis für schwierige Situationen unserer Mitmenschen aufbringen.

Wir wünschen uns, dass Gott uns immer zur Seite steht im Leben. Wir brauchen seine Kraft und seine Stärke für unser Leben.

 

Hektik und Stress sollen nicht immer nur Begleiter des Alltags sein, sondern wir wollen durch Gottes Geschenke dies überwinden. Wir nehmen bewusst wahr, was Gott uns geschenkt hat: ein Kind hat er uns geschenkt, seinen Sohn. In der Krippe liegend, in Windeln gewickelt, das zum König der Welt geworden ist. Darüber dürfen wir uns freuen.

Auch wenn Johannes wie auch Dietrich Bonhoeffer ihre Leben lassen mussten wegen ihrer mutigen Worte, so sind sie doch in der Zuversicht gestorben, was sie glauben: Jesus ist der Kommende! Er ist der Messias. Die Heilszeit beginnt mit ihm!

 

Zum Abschluss meiner Andacht soll das Gebet Bonhoeffers stehen, das uns durch Gott so viel Mut und Zuversicht gibt, gerade wenn wir selber dazu zu schwach sind. Als Ermutigung und zur Stärkung möchte ich Ihnen dieses Gebet Bonhoeffers für die kommende Zeit mitgeben:

 

   Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages.
    Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu dir; ich kann es nicht allein.
    In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht;
    ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht;
    ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe;
    ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede;
    in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld;
    ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich. (…)

 

 

Vikarin Julie-Sophie Daumiller
Stetten am Heuchelberg

 

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