Einen neuen Weg gehen

Mit kleinen Schritten bewege ich mich vorwärts. Ich gehe. Die Steine sind mir vertraut. Sie sind mein Versteck, meine Mühe, wenn ich auf den Rücken falle, mein Weg, tagaus tagein, der Boden unter meinen Beinen. Und Beine habe ich eine ganze Menge, sie sind mein Erfolgsgeheimnis. Ich bin schnell, bewege mich im Wasser, so gut wie an Land.

Ich bin ein Crustacea – ein Krebstier, und meine Art ist so vielfältig und interessant wie keine andere Tiergruppe.

Über die Steine ging ich und kam in die Nähe einer Menschengruppe. Sie standen im Kreis. Zwischen den Steinritzen versteckte ich mich, fühlte mich sicher. Die Menschen bauen ja auch Häuser aus Stein, das kann ich gut verstehen. Sie standen da im Kreis und in der Mitte stand ein Mensch mit langen Haaren. Sie hatte ängstliche Augen, das verstehe ich. Ich hatte auch ängstliche Augen, denn plötzlich griff einer dieser Menschen fast nach mir, ich hätte gezwickt, aber er griff nach einem Stein, streckte den Arm aus und wollte den Stein werfen, zornige Schreie hörte ich, „Du hast Ehebruch begangen!“, Du bist schuldig“, schrie ein anderer. „Wir haben Dich auf frischer Tat ertappt! „Das Gesetz fordert die Steinigung.“ „Was sagst Du dazu, Jesus von Nazareth?“ Alle Blicke gingen zu dem einen Menschen hinüber. Er war still, sagte nichts – zunächst, bückte sich an einer Stelle, wo wenige Steine lagen und schrieb Worte in die Erde. Dann sagte er: „Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein auf die Frau.“ Dann bückte er sich wieder und schrieb weiter auf die Erde.

Fast wäre mir ein Stein auf den Kopf gefallen, die Steine fielen alle zur Erde zurück, keiner traf die Frau. Die Menschen gingen alle, bis auf diesen einen und die Frau. Er fragte „ Frau, wo sind Sie? Hat dich keiner verurteilt? Sie sagte ihre einzigen Worte. „Niemand, Herr.“ Da sagte er, dann verurteile ich Dich auch nicht, du kannst gehen, tue es nicht wieder.“ Dann waren Sie alle wieder weg, nur die Steine, die fast in den Händen dieser Menschen getötet hätten, waren noch da. Diese leblosen Steine, rau, kantig, fest, jeder anders in seiner Form und Farbe, große und kleine, großartige und unscheinbare. Steine leuchten und glänzen, erzählen vom Schöpfungswerk und können doch so schnell zur Hand des Urteils werden.

Ich aber ging weiter über die Steine meinen Weg. In meinem Herzen war etwas Glückliches. Der, der einen Stein hätte werfen können, hat keinen geworfen, vielmehr hat er befreit von der Schuld, hat einen neuen Weg nach Vorne freigegeben. Und während ich so dahin krabbelte kamen mir noch viele Gedanken, über Steine, über neue Wege, ängstliche Blicke und befreiende Worte – welche Gedanken kommen Ihnen? (Johannes 8, 1 – 10)

Matthias Rose, DBS Brackenheim